20211113 – 58°08.389’N 20°30.677’E – M177
Meile für Meile grasen wir den Boden des Gotlandbeckens ab. Die Airguns hinter dem Schiff schießen Tag und Nacht, die Streamer messen pausenlos deren Reflexionen vom Ostseeboden. Die gewonnenen Daten werden an Bord ausgewertet und begutachtet. Interessante Stellen werden für die genaue Kartierung mit dem Fächerlot vermerkt. Vor einigen Tagen stießen die Wissenschaftler in den Daten auf ein bis zwei Meter tiefe, langgestreckte Löcher, sogenannte Pockmarks. Derart charakteristische Strukturen entstehen durch Austritt von Gasen oder Flüssigkeiten, Naturkatastrophen, geologische oder menschliche Aktivität. Aus den vorhandenen Daten schließt man vorläufig, dass die gefundenen Pockmarks durch Fluide, die aus den rund 400 Millionen Jahre alten Gesteinsformationen unter der Ostsee entweichen, entstanden sind. Vereinfacht gesagt scheint also der Boden des Gotlandbeckens „undicht“ zu sein. Eine der Hauptfragen dieser Expedition ist damit beantwortet.
Interessant ist dieses Ergebnis vor allem für die baltischen Staaten, die aus Klimaschutzgründen einen Teil ihres ausgestoßenen Kohlendioxids durch Verpressung im Gotlandbecken los werden wollen. Diese Technik ist wegen der schwer abzuschätzenden Folgeprobleme äußerst umstritten und gilt bestenfalls als Brückentechnologie. Besser wäre es natürlich, den Ausstoß von Kohlendioxid gänzlich zu vermeiden. Auf jeden Fall müssen die Pläne der baltischen Staaten nach unserer Expedition überdacht und neu bewertet werden.
Die Pläne der Meteor dagegen müssen nicht überdacht werden. Wir verlassen am Montag das Forschungsgebiet und werden am frühen Mittwochmorgen vom Lotsen in der Kieler Bucht erwartet. Dann geht es wieder durch den NOK, diesmal westwärts. Schon am Donnerstag endet die Expedition in Emden. Nach all dem Wasser in den letzten Wochen werde ich die Fahrt durch den NOK sehr genießen. Endlich mal wieder was zu sehen!
CR