Mit Schiebewind durch den Englischen Kanal

20211004 – 52°23.620’N 03°33.648’E – M176-2

Die letzte TI-CTD wird an Bord geholt – das Schiff rollt mal wieder stark und das Gerät ist nur schwer zu bändigen.

Am Montag Nachmittag war es soweit: die TI-CTD, das wichtigste Arbeitsgerät dieser Reise, wurde zum letzten Mal an Bord geholt. Das Schiff rollte mal wieder heftig und das Bergen wurde erneut zu einem Kunststück. Aber bei der Fülle an CTDs, die auf dieser Reise gefahren wurden – es waren weit über Hundert – hat sich die Routine eingeschliffen und das Ganze war nichts besonderes mehr. Nach der TI-CTD wurde noch ein letztes Mal die schiffseigene „normale“ CTD zu Wasser gelassen, dann ging es los, Transit zurück nach Emden. Die ersten Tage durchfuhren wir ein stabiles Hoch nordöstlich der Azoren. Das Wetter war akzeptabel, die See relativ ruhig und die Zeit konnte genutzt werden, das Equipment in den Containern zu verstauen. Außerdem wurde eine Feuerübung durchgeführt und der „Rescue Star“, mit welchem man über Bord Gegangene wieder auffischen kann, getestet. Die ersten Stunden des Transits fuhren wir mit durchschnittlich 10 Knoten. Schnell genug, um am nächsten Mittwoch pünktlich beim Lotsen vor Borkum zu erscheinen.

Der „Rescue Star“ wird für seinen Einsatz bereit gemacht.

Übung mit dem „Rescue Star“ – diesmal muss aber niemand ins Wasser.

Doch es deutete sich ja schon an: die Fahrt durch die Biskaya und den Englischen Kanal würde kein Zuckerschlecken werden. Zwischen Island und den Britischen Inseln entwickelte sich ein kräftiges Sturmtiefsystem, dessen Ausläufer uns während der Fahrt durch die Biskaya erwischen würden. Schwere See, Sturmböen, starke Niederschläge – das vermeidet man tunlichst. Also passten wir in der Hoffnung, vor den schlimmsten Wetterunbilden den Englischen Kanal zu erreichen, unsere Geschwindigkeit schon am Dienstag auf 12 Knoten an. Und das hat funktioniert. Kurz vor dem Kanal erwischte uns noch ein kleines Randtief, dessen Kern wir durchfuhren. Bei der Annäherung wehte der Wind mit konstanten 5 Bft aus südlichen Richtungen, schlief dann fast völlig ein, um nach der Passage des Kerns auf 6 Bft aus nördlichen Richtungen wieder aufzufrischen. Währenddessen regnete es ununterbrochen. Über 60 Liter pro Quadratmeter Niederschlag registrierte der Schiffsregenmesser in dieser Zeit. Mit der Verlagerung des Randtiefs nach Nordosten drehte der Wind recht schnell auf westliche Richtungen und nahm nochmal kräftig zu. Doch wir waren schon fast im Englischen Kanal, der Wind wehte von achtern und wir surften mit Schiebewind in Richtung Emden.

Sturm im Englischen Kanal – die riesigen Autofähren stört es kaum.

Blick nach Alderney – eine der kleineren Kanalinseln.

Seit einigen Stunden haben wir den Englischen Kanal verlassen. Wir werden schon morgen, einen Tag früher als geplant, den Lotsen vor Borkum erreichen. Als nächstes war eine Mittelmeerreise geplant. Doch lässt sich die dringend notwendige Reparatur am Bugstrahlruder nicht weiter aufschieben und statt nächsten Freitag wieder auszulaufen, muss das Schiff für zehn Tage ins Dock. Außerdem wurde die ursprünglich nach der Mittelmeerreise geplante Ostseefahrt vorgezogen. Also werde ich von Sommerklamotten auf Ostfriesennerz umrüsten müssen…

CR

Die „Ever Gifted“ kurz vor dem Englischen Kanal auf dem Weg über die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer und weiter durch den Suez-Kanal, wo ihr Schwesterschiff „Ever Given“ Anfang dieses Jahres havarierte.