Betriebsausflug der Bordwetterwarte

20200323 – 86° 11.820’ N 15° 39.780’ E – MOSAiC Leg 3

Aus dem Helikopter erkennt man den Ernst der Lage am Besten – überall Leeds, Ridges, wild durcheinander geschoben.

Gestern hatte ich die Gelegenheit, mir das Schollenchaos rund um die Polarstern vom Helikopter aus anzuschauen. Wir sind im näheren Bereich um das Schiff geflogen. So weit man schauen kann gibt es Risse und Verwerfungen durch zusammengeschobene Schollen. Die Eislandschaft hat sich in den vergangenen Tagen extrem verändert. Dabei verschieben sich die Schollen auf unterschiedlichen Bahnen. Unsere Forschungsscholle mitsamt der Polarstern liegt jetzt am Ende der ehemaligen, nun dreigeteilten Landebahn. Noch vor zwei Wochen verlief die Bahn parallel in einiger Entfernung zum Schiff. Hin und wieder erkennt man auch Fragmente ehemaliger Bullipisten. Unsere Bewegungsfreiheit mit Bullies und Skidoos ist mittlerweile stark begrenzt und beschränkt sich im wesentlichen auf die Logistikarea auf der Steuerbordseite des Schiffes. Die Pistenbullies werden wir demnächst an Bord holen, denn der Bau einer Landebahn, wofür die Bullies hauptsächlich gedacht waren, ist nicht mehr zu realisieren. 

Schollenchaos von oben – im Vordergrund sind die Reste unserer Landebahn zu sehen. Sie befand sich mal neben der Polarstern, durch die ständigen Bewegungen im Eis steht Polarstern inzwischen mitten auf dem Rollfeld.

Was noch übrig ist von unserer Scholle wird im Norden durch das vor reichlich einer Woche aufgegangene Leed begrenzt. Ganz rechts im Bild sieht man das Zelt von Ballontown, mittig im Bild das neu entastandene DroneCity.

Heute Nachmittag haben wir von der Wetterwarte einen kleinen Spaziergang über unsere Forschungsscholle gewagt. Erste Station war das neu entstandene Droneville. Am Rande der Hauptscholle und gegenüber von MetCity gelegen ist Droneville der jüngste Teil unseres kleinen Arktisdorfes. Der Start von Messdrohnen ist Bestandteil des dritten Legs von MOSAiC. In Droneville gibt es auch nur ein Zelt und eine Startrampe für die Drohnen. Die Drohnen selbst sind kleine, leichte Flächenflieger aus Styropor. Sie können mit verschiedensten Messgeräten bestückt werden und erstellen Horizontalprofile in der weiteren Umgebung des Schiffes. Die beiden Drohnenpiloten Gina und John haben schon seit einigen Tagen Probleme mit dem Autopilot der Drohne. Die Starts sind kurz und enden meist schon nach wenigen Sekunden Flugzeit. Doch inzwischen haben die beiden die Probleme gefixt und wir können die ersten Rundflüge der Drohnen beobachten. Auch das Kamerateam ist mit dabei – Dieter und Manuel entkommt man nicht. Wir ziehen bald weiter, übersteigen das Ridge vor MetCity und sind so außer Kamerareichweite.

Erfolgreiche Landung und Bergung einer Drone. Nach einigen Fehlversuchen ist den beiden die Erleichterung anzusehen – es funktioniert!

Wir wollten nur mal kurz in Droneville vorbei schauen – doch das Kamerateam lauert überall!

MetCity ist inzwischen wieder voll in Betrieb. Eine direkte Powerline vom Schiff gibt es zwar nicht, doch die Messinstrumente werden ohne Unterbrechung mit Generatoren am Leben erhalten. Etwas weiter, hinter MetCity, befindet sich RemoteSensing. Dieses Messfeld ist inzwischen durch einen breiten Riss von der MetCity-Scholle getrennt. Der Riss ist frisch zugefroren, auf dem neuen Eis bilden sich zahllose, wunderschöne Eisblumen. Wir genießen die Stille, bestaunen die Blumen und müssen feststellen, dass wir schon viel zu lange in dieser Ecke unserer Forschungsscholle unterwegs waren. Aus dem Besuch der anderen „Stadtteile“ wird nichts mehr, wir müssen zurück zum Schiff.

Eine hohes Ridge versperrt die Sicht auf MetCity.

MetCity ist noch in Betrieb. Für Strom sorgen Generatoren, die regelmäßig mit Sprit versorgt werden müssen.

Demnächst werden wir den Spaziergang fortführen. Wir waren noch nicht in Ballontown, OceanCity und ROVCity. Genügend Zeit werden wir dafür haben, denn aus Bremerhaven erreichen uns nur Durchhalteparolen. Unsere für Anfang April geplante Abreise verschiebt sich auf unbestimmte Zeit und wir werden wohl zwei Monate länger auf der Scholle bleiben als gedacht. Andererseits weiß auch niemand, wie lange unsere Scholle noch gefahrlos begehbar sein wird. Vielleicht sollten wir uns doch beeilen und alles anschauen. Für einen Besuch in RemoteSensing ist es ja jetzt schon zu spät.

CR

Wenn die Risse im Eis wieder zufrieren, bilden sich auf dem frischen Eis wunderschöne Eisblumen.