20180709 – 53° 34.009’ N 08° 33.303’ E – PS114
Zweimal im Jahr, jeweils zwischen den Antarktis- und Arktis-Expeditionen, macht die Polarstern einen Boxenstop in der Werft in Bremerhaven. Keiner mag diese Zeit. Überall an Bord wird gebaut, überall ist Dreck und Lärm und trotzdem wohnt man während der Wochen in der Werft auf dem Schiff. Für uns Wettertechniker ist es glücklicherweise nicht notwendig, während der gesamten Werftzeit an Bord zu sein. Es gibt immer ein paar Servicetermine, die aber meist schon vorher vereinbart werden können. Da reist man dann extra für ein paar Tage an und verschwindet, sobald das möglich ist, wieder von der Baustelle. Ich selbst war nur in der vergangenen Woche für ein paar Tage an Bord. Bis auf ein paar Kleinigkeiten und Tests war nicht viel zu tun, so dass ich an den späten Nachmittagen Bremerhaven erkunden konnte.
Wie der Name schon vermuten lässt ist Bremerhaven eine Hafenstadt. Auch heute noch ist die Stadt der wichtigste Fischereihafen Deutschlands. Die Einwohner werden deshalb auch spöttisch „Fischköppe“ genannt. Doch das scheint eher Geschichte zu sein. Wesentlich auffälliger ist der riesige Seehafen und die vielen Werftanlagen in seiner Umgebung. Das Containerterminal hat mit 4680 m Kailänge die längste Stromkaje der Welt. Vierzehn Containerschiffe können hier gleichzeitig be- und entladen werden. Etwa 120.000 KFZ haben im Autoterminal der BLG Logistics Group Platz. Mehr als zwei Millionen Fahrzeuge werden hier jährlich umgeschlagen. Auch für die Offshore-Windenergie-Industrie in Deutschland ist Bremerhaven einer der wichtigsten Standorte. Ein extra Offshore-Terminal ist bereits in Planung. Bei den Werften dagegen sieht es nicht so gut aus. Viele der traditionsreichen Werftbetriebe wie Tecklenborg und Rickmers mussten aufgrund der weltweiten Werftenkrise ihre Arbeit einstellen. Übrig geblieben ist im Prinzip nur die Lloyd-Werft, in welcher auch die Polarstern regelmäßig instand gesetzt wird.
Schon seit einigen Jahren hat Bremerhaven auch ein umfangreiches touristisches Programm zu bieten. Allen voran die Havenwelten. Neben Einkaufszentren findet man hier an der Weserpromenade unter anderem den Zoo am Meer, das Deutsche Schifffahrtsmuseum, das Atlantic Hotel Sail City mit seiner Aussichtsplattform, das Klimahaus Bremerhaven 8° Ost und das Deutsche Auswandererhaus. Vor allem letzteres kann man sehr empfehlen. Bremerhaven war in der Vergangenheit einer der größten deutschen Auswandererhäfen. Das Museum widmet sich vor allem der Auswanderung von Deutschen in die USA in verschiedenen Epochen. Aufwändige Installationen zeigen die verschiedenen Stationen der Auswanderer, vom warten an der Pier bis zur Ankunft in der Central Station New York. Man kann sich selbst an die Pier zwischen die Auswanderer stellen, verschiedene Decksklassen auf Seglern und Dampfschiffen erkunden und nach eigenen Angehörigen in den frei verfügbaren Datenbanken suchen. Leider schließt das Museum schon 18 Uhr und ich hatte gerade mal zwei Stunden Zeit für die Besichtigung.
Etwas länger geöffnet ist die Aussichtsplattform des Atlantic Hotel Sail City – und der Aufstieg lohnt sich! All zu schwer ist er auch nicht, denn mann fährt mit einem Fahrstuhl bis kurz unter die Plattform. Von hier oben hat man einen weiten Blick über die Stadt, die Hafenanlagen und die Weser.
Es gäbe noch eine Menge interessanter Dinge in Bremerhaven und Umgebung zu erkunden. Leider sind derartige touristische Ablenkungen erst mal vorbei. Nach einem kurzen Wochenende in Leipzig bin ich seit heute Mittag wieder an Bord und bereite mich auf die Expedition vor. Das Schiff ist weitgehend fertig, nur noch Kleinigkeiten sind zu erledigen. Kein Vergleich zu dem Chaos, welches letzte Woche noch herrschte. Morgen früh kommen die Wissenschaftler an Bord und die Reise kann beginnen. Weit in den Norden wird es gehen, bis hin zum 79°-Gletscher, den ich schon von meiner letztjährigen Arktisreise (PS109) kenne. Insgesamt bin ich bis Mitte Oktober an Bord. Kurze Zwischenstops gibt es in Tromsø und auf Spitzbergen. Es wird mein bisher längster Einsatz an Bord und es ist bisher auch die einzige Reise, zu welcher ich mit der Bahn an- und abreisen kann, denn sie endet wieder in der Werft in Bremerhaven, wo die Polarstern für die folgende Antarktis-Reise vorbereitet wird.
Da wir die meiste Zeit in der Gegend um 80°N zwischen Spitzbergen und Ostgrönland unterwegs sein werden, haben wir über lange Zeit keinen oder nur sehr langsamen Internetzugang. Die geostationären Satelliten, welche wir für die Kommunikation verwenden, befinden sich über dem Äquator und befinden sich deshalb aus unserer Sicht nur knapp über dem Horizont. Damit sind sie für uns nicht nutzbar. Abhilfe schaffen hier die Iridium-Satelliten, deren Bahnen polumlaufend sind. Datenaustausch über diese Satelliten ist aber sehr teuer und so werde ich kaum regelmäßig Blog-Beiträge veröffentlichen können. Aber ich werde weiter fotografieren und schreiben und nachträglich veröffentlichen.
CR