Neptun Rex

20160428 – N 10° 53.354’ W 24° 05.496’ – PS98

Triton und Thetis

Seit unserer Abfahrt aus Punta Arenas sind wir in südlichen Breiten unterwegs. Dabei hatten wir immerhin 19 Individuen an Bord, die sich noch nicht der Taufe unterzogen hatten. Das ist natürlich ein ungeheurer Frevel und so erreichte uns einige Tage vor dem Überqueren des Äquators ein Telex von Neptun mit der Aufforderung, diesen Missstand zu beheben:

TELEX von Neptun.

Und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Die Tage bis zur ersten Inspektion auf dem Helicopterdeck waren angefüllt mit gegenseitigen Beschuldigungen, bei denen die Täuflinge natürlich immer den Kürzeren zogen. Eine Taufmannschaft wurde gebildet, Verfehlungen der Täuflinge sofort notiert. Die Angst der schon getauften Besatzung vor Repressalien Neptuns ob der Mitführung ungetauften Drecksgesindels nahm ungeahnte Höhen an. Dann der Tag der Inspektion. Die Täuflinge wurden zusammengetrieben, aneinander gekettet und harrten auf dem Helideck der Ankunft Tritons. Der erschien alsbald, soff reichlich und hielt eine Rede, die mit den Worten „Wasser marsch!“ endete. Die erste Reinigungsprozedur wurde vollzogen, die schlimmsten Sünden wurden mit den Wassern der Südhalbkugel – beschleunigt durch ungefähr 6 Bar aus der bordeigenen Brandbekämpfungsanlage – abgewaschen.

Tritons Herrschaft über das Schiff sollte bis zur Ankunft Neptuns am Tag darauf dauern. Unter der Knute des Admirals und seiner Schergen wurden wir am Tauftag unsanft geweckt und zum Frühstück getrieben. Aufgetafelt waren allerlei Leckereien der letzten Wochen – leider nicht mehr so frisch. Dazu wurde eine gelbe Flüssigkeit gereicht, deren Ursprung man lieber nicht nach forschte. Nach dem „Essen“ wurde den Täuflingen nur eine kurze Pause gewährt, denn schon bald zogen Tritons Schergen wieder durch das Schiff, die Täuflinge zusammen zu treiben. Bei Wasser und Brot wurden sie in einem der Labore verwahrt – die Ankunft Neptuns stand nun bevor. Bei einem kleinen Aufstand der so fest gesetzten gelang es, einen der Schergen Tritons in ihre Gewalt zu bringen. Der Austausch der Geisel gegen Bier und Schnaps bescherte den Täuflingen ein wenig Linderung der Schmach und verkürzte die Stunden bis zum Eintreffen Neptuns. 

Der lies allerdings lange auf sich warten. Fast fünf Stunden verharrten die Täuflinge in ihrem Verlies – dann wurde der erste aus ihrer Mitte gerissen und zur Taufe geführt. Der Pfarrer verlas mit einigen begleitenden Worten den Taufnamen, der Bader untersuchte den Täufling auf eventuelle Schäden, man wurde frisch frisiert und fotografiert. Dann die Taufe. Drei Mal komplett eintauchen ist das mindeste, was nötig scheint, Körper und Geist zu reinigen. Im Anschluss durfte man dann demütig vor Neptun erscheinen, zu seiner linken Thetis, zu seiner rechten der Kapitän des Schiffes, welcher wohl gerade noch der Strafe wegen Mitführens dreckigen Gesindels entgangen war. Zeigte man zu wenig der diesen drei Würdenträgern zustehenden Unterwürfigkeit, so musste man das Prozedere der Reinigung erneut durchlaufen.

Taufe vollzogen!

Ich selbst war einer der ersten, die zur Taufe geführt wurden. Nach zwei Runden hatte ich meinen neuen Namen verinnerlicht und nenne mich nun stolz „Randsächsischer Marathon-Segel-Fisch“. Es war einige Konzentration nötig, diesen Namen fehlerfrei und in der richtigen Reihenfolge vorzutragen. Aber ich konnte schon lange vor dem Ende der Tauffeierlichkeiten das Szenario aufrechten Ganges verlassen und mit meiner Kamera zurück kehren.

Abschliessend sei noch gesagt, dass niemand zur Teilnahme an der Taufzeremonie gezwungen wurde. Auch während der Feierlichkeiten lief alles ohne Zwang und ernsthafte Repressalien ab. Es war zuweilen ekelhaft, jedoch niemals wirklich herabwürdigend oder gar gefährlich. Lässt man sich darauf ein, so hat man die Chance auf ein unvergessliches Erlebnis! Vielen Dank also an alle Täufer und Täuflinge, die das großartige Theater organisiert und mitgemacht haben!

CR

Triton, Tetis und ihre Schergen.