Warteposition

20210310 – 74°31’44.112″ S 32°38’55.968″ W – PS124

Sonnenuntergang auf 77°S. Vielleicht erleben wir ja noch weitere solche Tage – im Moment ist aber nicht daran zu denken.

Es hat funktioniert! Unsere Arbeiten auf 77°S brachten uns tatsächlich Sonne in den Bordalltag. Leider war diese Phase nur von kurzer Dauer. Wochenlang gaben sich die Tiefdruckgebiete weit im Norden die Klinke in die Hand. Jetzt haben wir es aber mit einem ausgewachsenen Sturmtief zu tun, dessen Bahn direkt durch das Weddellmeer führt. Auf seinem Weg nach Süden wird es sich allmählich abschwächen und so wäre es eine gute Idee gewesen, sich ins dortige Eis zu verkrümeln und zu warten. Dagegen sprach aber, dass unsere nächsten Arbeitsstationen viel weiter nördlich auf uns warten. Im Süden abwettern und danach nach Norden zu fahren würde insgesamt zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Nächste Idee war, die durch den Abbruch des A74-Eisberges neu entstandenen Lücken im Schelfeis als Schutz zu nutzen. Sie sind inzwischen mehrere Meilen breit. Dort wären wir näher an den geplanten Stationen und könnten gleichzeitig einen Blick auf den neuen Eisberg wagen. Doch entlang der Schelfeiskante muss man mit Windgeschwindigkeiten bis Bft 11 rechnen! Und das ist dann doch zu viel. Wir hätten es dort mit offenem Wasser zu tun und das würde als Gischt überall am und auf dem Schiff gefrieren. Als beste Strategie stellte sich deshalb die Fahrt nach Westen auf unsere jetzige Position heraus. Hier sind wir dem Tiefkern am nächsten und die Windgeschwindigkeiten halten sich in Grenzen. Um uns herum ist meilenweit nur Eis zu sehen. Es schneit. Wir warten.

Die Situation heute Morgen. Wir sind nah an die Zugbahn des Tiefkerns gefahren, wettern im Eis des Weddelmeeres ab.

Im Laufe des Tages hat der Wind immer weiter nachgelassen, so dass am Nachmittag nichts mehr gegen eine Eisstation im Schiffsumfeld sprach. Mit dem Kran wurden Wissenschaftler samt Equipment auf eine Scholle direkt neben dem Schiff gebracht und die Arbeiten konnten ohne Helikopterunterstützung durchgeführt werden. Einige neugierige Pinguine beteiligten sich rege an den Forschungsarbeiten. Auch etliche Robben wurden auf der Scholle gesichtet. Leider keine Weddellrobben, so dass unser Robbenteam nicht zum Einsatz kam.

Sturmvögel auf der Suche nach fressbarem.

Interessierte Zaungäste während der Eisstation.

Sobald das Sturmtief mit seinen Ausläufern unseren Arbeitsbereich verlassen hat, werden wir wieder gen Osten fahren und die Stationsarbeit in der Nähe des A74-Eisberges fortsetzen. Für Samstag steht ein Besuch des Eisberges selbst auf dem Plan. Wir wollen versuchen, in die Lücke zwischen Eisberg und Schelfeis hinein zu fahren. Wir werden sehen – die Situation vor Ort ändert sich ständig und auch wenn das Befahren des Spaltes gelingen sollte, ist doch kaum Zeit für ernsthafte Forschung. Schließlich werden wir in Kürze bei Neumayer erwartet – dieser Termin hat höchste Priorität.

CR

Vor ein paar Tagen erlebten wir auf 77°S den schönsten Tag dieser Expedition. Doch das Tief mit Wind und Schnee war schon im Anzug.