20200131 – 69°48’39.131″ N 19°33’48.564″ E – MOSAiC LEG 3
Schon am Wochenende war klar, dass wir nicht pünktlich an Bord der „Kapitan Dranitsyn“ kommen würden – schlechtes Wetter zwang das Schiff auf seiner Reise von Murmansk nach Tromsø gen Norden auszuweichen. So kam sie etwa einen Tag später in Norwegen an und wir mussten uns noch ein wenig gedulden. Montag Abend war es dann soweit. Die Dranitsyn lag an derselben Pier wie die Polarstern vor ihrer Abreise in die Arktis und gegen 21 Uhr gingen wir an Bord. Da es sich um ein russisches Schiff handelt, gilt an Bord die Moskauer Zeit, welche der Mitteleuropäischen Zeit um zwei Stunden voraus ist. Der Tag an Bord neigte sich also schon dem Ende zu und es herrschte Nachtruhe.
Die „Kapitan Dranitsyn“ wurde 1980 auf dem Wärtsilä Helsinki Shipyard in Finnland fertig gestellt und fährt seitdem unter sowjetischer, später russischer Flagge. Der konventionelle Eisbrecher wird dieselelektrisch über drei Schrauben mit jeweils 5.400 kW angetrieben. Für den nötigen Strom sorgen sechs Generatoren mit jeweils 3.040 kW. Dieser Antrieb bringt die Dranitsyn auf maximal 19 Knoten Geschwindigkeit im offenen Wasser. In 1,3 Meter dickem Meereis reicht es immerhin noch für ca. 2 Knoten. Mit knapp 130 Metern ist sie etwas länger als die Polarstern, hat aber mit 8,5 Metern weniger Tiefgang. Die maximale Verdrängung beträgt 14.917 Tonnen. Kapitan Dranitsyn ist also etwas leichter als die Polarstern.
Schon die verspätete Ankunft in Tromsø lies ahnen, dass das Schiff hohen Seegang nicht gut verträgt. Auf dem Transit von Murmansk nach Tromsø gab es wohl auch Probleme mit den Containern auf dem Vorschiff. Dort ist, soweit ich das richtig verstanden habe, der neue Proviant für die Polarstern gestaut. Was auch immer passiert: Den wollen wir auf keinen Fall verlieren! Ein weiteres Problem soll wohl der niedrige Freibord sein – dadurch kommt bei hohen Wellen schneller Seewasser an Bord, gefriert dort und beeinträchtigt die Stabilität des Schiffes. Alles in allem führt das dazu, dass die Kapitan Dranitsyn bei Wellenhöhen von über drei Metern lieber im sicheren Hafen bleibt oder die Flucht ins Eis antritt. Dummerweise sind Wellenhöhen über drei Meter in dieser Jahreszeit und Gegend eher normal und so sind wir zwar am Mittwoch Nachmittag mit eintägiger Verspätung ausgelaufen, aber nur ein paar Meilen gefahren und befinden uns nun in den Fjorden nahe Tromsø auf Warteposition.
Bis nächste Woche werden wir wohl noch warten müssen. Mit der Wetterwarte auf der Polarstern stehen wir in regelmäßigem Kontakt. Da die Kollegen erst dann nach Hause aufbrechen können, wenn wir wohlbehalten auf der Polarstern eingetroffen sind, liegt es in ihrem ureigensten Interesse, dass wir endlich starten! Der Meteorologe der Dranitsyn ist optimistisch, hat aber nur wenige Daten zur Einschätzung der Lage zur Verfügung. Also heisst es erstmal weiter warten. Immerhin gab es schon mal Polarlichter zu sehen. Ein kleiner Lichtblick – vielleicht geht da aber in den nächsten Tagen noch mehr…
CR