20200126 – Tromsø – PS122.3 / MOSAiC LEG 3
Meinen letzten Blog-Eintrag vom Ende der Expedition PS121 verfasste ich in Tromsø. Während ich damals nach Hause zurückkehrte, startete die Polarstern von hier zur ersten Etappe des MOSAiC-Projektes. Jetzt, vier Monate danach, bin ich wieder in Tromsø und werde mit dem russischen Eisbrecher „Kapitan Dranitsyn“ der Polarstern „hinterher fahren“. Der zweite Abschnitt des Projektes nähert sich dem Ende und es ist wieder mal Zeit für eine Ablösung. Rund zwei Monate werde ich an Bord sein.
Anders als daheim gibt es hier in Tromsø so etwas wie Winter. Es liegt Schnee in den Straßen, die Temperaturen sind unter 0°C, die Luft ist winterlich klar und sauber. Drei Tage waren wir in der Stadt, gewöhnten uns langsam an kühlere Temperaturen und lauschten von morgens bis abends den Ausführungen der Instruktoren, die uns auf das Leben im Eis, auf der Kapitan Dranitzyn und natürlich der Polarstern vorbereitet haben.
Der wohl wichtigste Teil der Vorbereitungen war die Anprobe der Polarkleidung am Freitag. Eigens für die Überfahrt von Tromsø zur Polarstern mit der „Kapitan Dranitsyn“ bekam jeder das nötigste an warmer Kleidung. Wichtig sind vor allem der Polaroverall und die Snowboots, denn beides benötigen wir auch auf dem Rückweg, den wir hoffentlich in zwei Monaten mit dem Flieger von der Polarstern nach Longyearbyen antreten werden. Das Wochenende verbrachten wir mit umfangreichen Schulungen und Vorträgen. Von morgens bis abends waren wir mit theoretischen Einweisungen und praktischen Übungen beschäftigt. Der wohl unangenehmste Teil für die meisten war sicher die „self-rescue“-Übung. Auf dem Bauch rutschend musste man sich dabei über ein glitschiges Brett, welches die rettende Eisscholle simulierte, aus dem eiskalten Hafenbecken an Land retten. Die dazu genutzten Anzüge waren natürlich keineswegs wasserdicht – sie sollen ja auch eher vor der Kälte auf dem Eis schützen und sind nicht vergleichbar mit den in der Seenotrettung genutzten Überlebensanzügen.
Wesentlich angenehmer war dagegen die Vorstellung des Notfall-Equipments. Das Areal um die Polarstern ist in verschiedene Zonen eingeteilt. Je weiter man sich vom Schiff entfernt, desto mehr muss man an Ausrüstung für den Notfall mitschleppen. Die einfachste Ausstattung passt in einen Rucksack, für weitere Strecken ist für jeweils zwei Personen eine etwa 50 kg schwere rote Kiste vorgesehen. Darin findet man alles, was ein Zweierteam für sechs Tage benötigt – Zelt, Schlafsäcke, Kocher, Klamotten, Nahrung und eine Menge an Werkzeug. Für alles ist gesorgt und es könnte richtig gemütlich werden – wenn man nicht ständig mit Eisbären rechnen müsste.
Das Wochenende war straff verplant mit den Vorträgen und Schulungen, so dass nur der Freitag für ein wenig Sightseeing blieb. Doch gemeinsam mit der Helicrew nutzte ich die wenigen Stunden Tageslicht für einen Ausflug auf den „Fjellheisen“, dem allseits bekannten Hausberg von Tromsø. Das Plateau erreicht man mit einer Seilbahn und als wir oben ankamen, war die Sonne schon hinter den Bergen verschwunden. Die „Abenddämmerung“ beginnt hier im Norden zur Zeit schon in den frühen Nachmittagsstunden und als wir zur „Kaffeezeit“ nach Tromsø zurückkehrten, war es schon stockdunkel. Doch an die Dunkelheit müssen wir uns sowieso gewöhnen, denn auf der Polarstern wird die Sonne erst wieder Anfang März aufgehen. Ein Ereignis, auf das ich mich schon jetzt freue!
Während ich diese Zeilen schreibe, genieße ich noch den Luxus meines Hotelzimmers. Ich habe einen gut funktionierenden Internetzugang und kann die letzten Bordmeldungen veröffentlichen. Morgen gehen wir an Bord der „Kapitan Dranitsyn“ und alles wird anders. Kein Internet, keine eMail und Telefon schon gar nicht. Einzig WhatsApp kann man für einfache Textnachrichten ohne Grafik nutzen und auch das nur, wenn alles gut läuft. Gleiches gilt für die Zeit auf Polarstern. Das Schiff ist soweit nördlich, dass man die normale „Standleitung“, welche sonst über geostationäre Satelliten für einigermaßen guten Internetzugang sorgt, nicht nutzen kann. Die Satelliten sind über dem Äquator stationiert und soweit nördlich nicht mehr zu sehen. Alle Kommunikation läuft über Iridium-Satelliten, welche leider nur eine sehr geringe Bandbreite bieten und fast unbezahlbar sind. Also kann ich in den nächsten Wochen keine aktuellen Bordmeldungen veröffentlichen, aber ich werde weiter meine Eindrücke sammeln und natürlich viel fotografieren. Die Bordmeldungen gehen dann erst nach meiner Rückkehr aus der Arktis online. Derweil kann man aber über den Link https://follow.mosaic-expedition.org dem Geschehen folgen. Das ist das offizielle und sehr schön gestaltete Blog des Projektes und dort gibt es täglich neue Veröffentlichungen – egal was das kostet. Vielleicht schaffen es auch einige meiner Fotos in das Blog – wir werden sehen…
CR