20170928 – 78° 27.062’ N 18° 26.267’ W – PS109
Will man Eisbären in freier Natur sehen, so muss man sich unweigerlich in die nördlichen Polarregionen begeben. Das größte an Land lebende Raubtier erreicht eine Rumpflänge von rund 2,5 Metern, in Einzelfällen sogar noch mehr. Sein Fell ist sehr dicht, ölig und wasserabweisend. Darunter befindet sich eine dicke Fettschicht. Die äußeren Fellhaare sind hohl, was hervorragend vor der meist eisigen Kälte in den Polarregionen schützt. Auch an das in ihrem Lebensraum eher knappe Nahrungsangebot sind Eisbären bestens angepasst. Sie haben einen überdimensionierten Magen, wodurch sie riesige Mengen an Fleisch verzehren können. Damit kommen sie dann wochenlang aus. Ganz oben auf ihrem Speisezettel stehen Robben, denen sie aber im Wasser hoffnungslos unterlegen sind. Also müssen sie an Wasserlöchern im Eis ausharren und darauf hoffen, dass sich eine Robbe findet, die ausgerechnet an der Stelle zum Atmen auftaucht, wo der Bär wartet. Und das kann dauern…
Wir haben auf dieser Reise ungewöhnlich viele Eisbären gesehen. Sobald einer der Gesellen im Blickfeld des Brückenpersonals auftaucht, wird eine Durchsage gemacht und jeder, der Zeit und Muse hat, steht draußen und bestaunt die riesigen Tiere. Doch so putzig und niedlich sie auch aussehen mögen – für die Forscher, welche auf dem Eis arbeiten, stellt der Eisbär eine der größten Gefahren dar. Sämtliche Teams, die von Bord gehen, haben deshalb eine bewaffnete Eisbärenwache dabei. Vor allem bei Nebelsituationen kann es gefährlich werden, denn Eisbären müssen ihre Beute nicht sehen, sie können sie kilometerweit riechen. So ist selbst bei kurzen Erkundungsflügen mit dem Hubschrauber immer eine Waffe dabei. Man weiß ja nie, aus welchen Gründen man vielleicht doch landen muss.
Nachdem wir umfangreiche Messungen im Kalbungsbereich des 79°-Gletschers durchgeführt haben, sind wir nun in der Inselwelt rund 100 Seemeilen südlich unterwegs. Wir forschen gerade in der sogenannten „Joekelbugten“. Am 79°-Gletscher haben wir aber auch noch einiges an Equipment, das noch geborgen werden sollte. Leider liessen die Wetterbedingungen nicht genügend Zeit für die dafür nötigen Hubschrauber-Einsätze, so dass wir vorerst hier im Süden unsere Arbeiten fortsetzen. Ob wir nochmals zum 79°-Gletscher zurück fahren, hängt vor allem vom Wetter ab. Aber auch die Eislage ist schlechter geworden – der die letzten Tage vorherrschende Südwind hat die Eisfelder zusammen getrieben, so dass man befürchten muss, die Lage mit der Polarstern nicht in den Griff zu bekommen. Es ist spät im Jahr, der Winter rückt näher und bald wird das Forschungsgebiet nicht mehr mit dem Schiff zu erreichen sein. Bis nächstes Jahr überlassen wir es dann den Eisbären.
CR