Whiteout

20210313 – 74°43’25.68″ S 25°16’36.192″ W – PS124

Hubschrauber und Wissenschaftler erscheinen aus dem Whiteout an der Festeiskante.

Wir sind wieder im Osten, an der nördlichen Lücke zwischen neuem Eisberg A74 und Schelfeis. Im Laufe des Wochenendes wollen wir von hier beginnend den Eisberg umrunden, Stationsarbeiten durchführen, den neuen Lebensraum erkunden. Unser Robbenteam war schon gestern hier und konnte in einem Inlet nördlich des Eisberges zwei Weddelrobben mit Sendern versehen. Heute wollte das Eisteam das Inlet für eine längere Eisstation nutzen. Als Inlet bezeichnen die Wissenschaftler einen Spalt im Schelfeis, in welchem sich meist Meereis gebildet hat. Am besten vergleichbar ist das mit einem Flussdelta, man ist umgeben von hohem Schelfeis mit einem Ausgang zum Meer. Robben fühlen sich hier besonders wohl, man ist windgeschützt und hat trotzdem kurze Wege ins Wasser.

Vorsichtige Landung auf der Polarstern. Das Schiff selbst dient als Reverenz für den Piloten.

Das Hinterland dieses „Deltas“ ist eine riesige, flache Fläche Schelfeis. Der Schnee der vergangenen Tage und Wochen hatte sich dort gesammelt. Dazu kamen einige Schneeschauer mit erhöhten Windgeschwindigkeiten, Verwirbelungen im Delta und das Whiteout-Chaos war perfekt. Die auf dem Eis arbeitenden Wissenschaftler nutzten den Hubschrauber nur noch als Schutz, an Fliegen war nicht mehr zu denken. Der aufgewirbelte Schnee ist überall, es gibt keine Referenzen für den Piloten mehr, in alle Richtungen sieht man nur noch weiß. Man sitzt fest. Für solche Fälle, mit denen man in den polaren Gebieten immer rechnen muss, ist jeder Flug mit Notfall-Equipment ausgerüstet. Dazu gehören ausreichend Zelte, Schlafsäcke und Kocher. Man könnte notfalls ein Camp errichten und einige Tage auf dem Eis ausharren. Doch soweit musste es in diesem Fall nicht kommen, die Polarstern war in ja Reichweite.

Heimkehr zu Fuß – ein Erlebnis der besonderen Art.

Auf den Kufen rutschend brachte man den Hubschrauber schließlich bis zur Eiskante. Die Wissenschaftler dienten dem Piloten dabei als Referenzpunkte. An der Eiskante selbst bot das dunkle Wasser ausreichend Orientierung, außerdem war die Polarstern inzwischen am Treffpunkt angekommen. Ohne Passagiere, aus Sicherheitsgründen nur teilweise mit Equipment beladen, machte der Hubschrauber den letzten Hopser auf das Schiff und war in Sicherheit. Die Passagiere mussten mit dem Kran vorlieb nehmen. Diese Episode zeigt mal wieder, dass man in der Antarktis mit allem rechnen muss, dass jeder Plan einen Plan B haben muss.

Für die Polarstern bedeutete das in diesem Fall nur einen kleinen Umweg. Wir setzen nun unseren Weg an der Schelfeiskante fort und fahren dabei immer weiter in den Spalt zwischen dieser und dem neuen Eisberg A74.

CR

Rückkehr mit Hilfe des Kranes – alle sind jetzt wieder heil an Bord.