Riß in der Scholle!

20200311 – 87° 39.397’ N 24° 05.830’ E – MOSAiC Leg 3

Ein Riß in der Scholle verfehlt nur knapp unser Tanklager.

Als ich heute Mittag das Tor zur Ballonhalle von innen öffnete fiel mein Blick auf einen Riß im Eis, der vom Schiff ausgehend am Rande der Logistik-Area, knapp vorbei am Tanklager bis hinaus nach ROV-City verlief. Unsere Scholle bricht! Ich startete schnellstens meinen Wetterballon und lief anschliessend in Richtung Brücke, um den Vorgang zu melden. Doch trotz der allgemeinen Mittagspause um diese Zeit herrschte schon hektische Betriebsamkeit. Ich war also nicht der erste, der den Riß bemerkt hatte. Alle möglichen Leute wurden über den Bordfunk ausgerufen, die Pistenbulliefahrer konnte man schon über das Eis flitzen sehen. Schnellstens musste der große Schlitten mit den Tankfässern gesichert werden. Sämtliche Technik, die sich weit verteilt in der Logistik-Zone an der Steuerbordseite der Polarstern befand, musste näher zum Schiff gebracht werden. Keiner konnte wissen, wie sich die Situation weiter entwickeln würde. Glück hatten wir vor allem mit dem Tanklager, denn der Riß machte buchstäblich einen Bogen darum herum.

Schnellstens wird alles Equipment auf unsere Seite gerettet!

Später verbreitert sich der Riß, ein Übersetzen ist jetzt nicht mehr möglich. Durch die schnelle Reaktion des Logistikteams ist das Equipment auf unserer Seite und das Tanklager gesichert.

Lange Zeit schien der Riß nicht weiter aufzugehen. Technik und Ölfässer konnten in Sicherheit gebracht werden. Doch am Nachmittag kam erneut Bewegung ins Eis. Der Riß erweiterte sich auf ungefähr zehn Meter. An ein Überqueren war nun nicht mehr zu denken. Doch es kann noch schlimmer! Vor dem Bug der Polarstern bildete sich ein weiterer Riß, trennte MetCity von unserer Scholle und drohte die Stromversorgung zu den zahlreichen Messgeräten dort zu unterbrechen. Ziemlich schnell wurde klar, dass dieser Riß nicht zu Fuß zu überqueren war. Der Hubschrauber kam zum Einsatz. Es wurden Generatoren für die Stromversorgung hinüber gebracht. Das Kabel von Schiff zu MetCity wurde anschließend gekappt. MetCity funktioniert erst mal autark – bis der Sprit für die Generatoren aufgebraucht ist. Außerdem betroffen ist RemoteCity, etwa 100 Meter entfernt und nun ebenfalls von unserer Forschungsscholle getrennt. Dort können wir allerdings den Strombedarf der Geräte nicht mit Generatoren überbrücken, RemoteCity fällt als erste Außenstation den Unbilden der Natur zum Opfer.

Am Nachmittag tut sich ein weiterer Riß auf. Diesmal sind Meßstationen betroffen. Per Hubschrauber werden Rettungsmaßnahmen eingeleitet.

Ebenfalls begraben müssen wir den Plan für eine Landebahn. Die schon während Leg2 präparierte Piste wurde zwar vom ersten Riß knapp verfehlt, jedoch ist sie nicht lang genug für die für den Crew-Exchange vorgesehenen AN76-Fugzeuge. Eine Verlängerung der Bahn ist aufgrund der Beschaffenheit der Scholle nicht möglich und so wurde In den Tagen nach unserer Ankunft nach einem neuen Standort gesucht. Dieser dürfte nun aber durch den zweiten Riß betroffen sein, so dass ein Wechsel der Besatzung nun nicht mehr wie geplant vollzogen werden kann. Vielleicht könnte man kleinere Flugzeuge einsetzen, doch es wird immer wahrscheinlicher, dass der Austausch per Schiff erfolgen wird. So langsam wird klar, dass dieser Teil der Expedition länger als geplant dauern wird. Keine guten Nachrichten…

CR

Erst aus der Luft erkennt man das ganze Ausmaß. Die Aufnahmen entstanden noch bevor sich der zweite Riß vor dem Bug der Polarstern auftat (Drohnenaufnahmen von Manuel Ernst / UFA-Filmteam).