20200305 – 88° 05.699’ N 30° 47.700’ E – MOSAiC Leg 3

Wir sind endlich an Bord der Polarstern, der Crew-Wechsel ist vollzogen. Die Cargo-Operationen hatten erhebliche Schwierigkeiten verursacht. Es war einfach zu kalt. Nicht nur die Menschen litten unter der Kälte, auch die Technik – vor allem die Kräne auf der Dranitsyn – versagte. Ursprünglich hieß es, dass der Crew-Wechsel erst nach Abschluss der Verladearbeiten stattfinden soll. Doch vor allem die Wissenschaftler auf Dranistsyn drängten zu einer anderen Lösung. Wir kommen Wochen zu spät – Leg 3 hat offiziell schon am 24.02.2020 begonnen – und sollen jetzt immer noch warten? Das war schwer zu vermitteln. Also tauschten die Wissenschaftler von Leg 2 und Leg 3 am Dienstag die Schiffe und heute sind die wissenschaftlichen Arbeiten schon voll im Gange. Zwei Tage später kam dann die neue Mannschaft an Bord der Polarstern, jetzt sind wir komplett. Fünfunddreißig Tage waren wir an Bord des russischen Eisbrechers, mehr als doppelt so lang als geplant. Heute Abend fand ein Treffen aller Beteiligten auf dem Eis mit Lagerfeuer und Rum in der Logistik-Area direkt an der Polarstern statt. Die alte Crew wurde verabschiedet, morgen soll die Dranistsyn ihre Heimreise antreten. Die Makarov, ein weiterer russischer Eisbrecher, wurde kurzfristig gechartert und soll die Dranistsyn auf ihrer Heimreise betanken. Sonst würde sie den Weg aus dem Eis nicht schaffen.

Für die Kollegen auf der Dranitsysn bleibt es also spannend. Bei uns dagegen wird hoffentlich so etwas wie Forschungsalltag einkehren. Wir von der Wetterwarte beteiligen uns neben unseren eigentlichen Aufgaben an der Sicherung der Außenteams. Mit Gewehr und Leuchtpistole bewaffnet begleiten wir hin und wieder Wissenschaftler und halten Bärenwache. Am Abend vorher werden die Vorhaben der einzelnen Teams organisiert und die Wachen eingeteilt. Bei anstehendem Flugbetrieb haben wir allerdings keine Zeit für die Bärenwache und es ist oft schwer vorherzusagen, ob wir am nächsten Tag fliegen werden. Also stellen wir unsere Hilfe hauptsächlich für kurzfristige Vorhaben zur Verfügung. Unser Filmteam hatte schon auf Dranistsyn Interesse angemeldet, denn auch sie wollen möglichst flexibel auf die Situation auf dem Eis reagieren. Heute war es dann soweit, ich zog das erste Mal als Bärenwache mit dem Filmteam aufs Eis. Schon am Morgen hatten die beiden UFA-Filmer eine Timelapse-Kamera an der Landebahn aufgebaut. Sie hat den Tagesgang der inzwischen einsetzenden Dämmerung dokumentiert, mit der Polarstern im Vordergrund. Jetzt musste die Kamera geborgen werden. Ein Stück entfernt haben wir ausserdem an dem vor einigen Tagen neben der Landebahn entstandenen Riß im Eis gefilmt. Dabei gelang mir auch das Foto von der Lichtsäule. Eine solche kann man bei wenig Wind und sehr kalten Temperaturen beobachten. Eiskristalle schweben langsam zu Boden und dabei entsteht die schöne Haloerscheinung. Da sie meist sehr schwach ausgeprägt ist, kann man sie vor allem dann beobachten, wenn die Sonne kurz unter dem Horizont steht. 

Die Sonne wird also bald aufgehen, die Polarnacht neigt sich dem Ende zu. Ein Ereignis, auf das sich vor allem diejenigen freuen, die schon während Leg 2 an Bord der Polarstern waren. Und das sind gar nicht mal so wenige! Doch am längsten an Bord sind der Kapitän höchstselbst und mein Techniker-Kollege vom AWI-Potsdam. Die beiden sind seit Tromsø auf Polarstern und bis zu unserer Ablösung wird das mehr als ein halbes Jahr sein. Und mein Kollege hat dann immer noch nicht genug! Er wird mit mir zusammen zu Leg 5 wieder an Bord zurückkehren. Damit wird er dann von allen am längsten Teil der MOSAiC-Expedition gewesen sein.

CR