Im Eis

20200208 – 82° 38.598’ N 74° 33.5731’ E – MOSAiC Leg 3

Sturm während der Überfahrt! Das ganze Schiff ist mit einem dicken Eispanzer versehen.

Es war ziemlich übel! Die Dranitsyn mit ihrem vergleichsweise geringen Tiefgang und den hohen Aufbauten ist kein Schiff für starken Seegang. Wir wurden ziemlich durchgeschüttelt. Durch die überkommenden Wellen hat sich eine ganze Menge Eis auf dem Vordeck und an den Aufbauten gebildet. Die Proviantcontainer für die Polarstern sind mit einer dicken Eisschicht überzogen. Es waren natürlich mehr als drei Meter Wellenhöhe, ich würde sagen so um die fünf Meter. Ich habe in den vergangenen Jahren schon oft derartigen Seegang auf Polarstern und Meteor erlebt. Für Polarstern sind fünf Meter Seegang kein Thema und auch die Meteor, obwohl als „Schauckelschiff“ verschrien, hätte diesen Seegang besser verkraftet. Zum Glück ist dieser Teil der Reise beendet!

Noch ist das Eis dünn, es gibt viele Lücken und wir kommen im Scheinwerferlicht ganz gut voran.

Nachdem wir in knapp zwei Tagen die offene See überquert hatten, tasteten wir uns auf der Höhe von Spitzbergen an der Eisgrenze entlang nach Osten voran, um eine günstige Passage an Franz Josef Land vorbei nach Norden zu finden. Nördlich von Franz Josef Land bereiteten uns einige Eispressungen Probleme, doch das meiste Eis in diesem Gebiet ist einjähriges Eis, höchstens einen Meter dick und für die Dranitsyn ohne Schwierigkeiten zu durchbrechen. In dickeres, mehrjähriges Eis erwarten wir in den nächsten Tagen zu kommen. Dann wird es sicher erste ernsthafte Probleme geben und die Strategie des einfachen Eisbrechens wird durch die Suche nach Leads abgelöst. Mehrjähriges Eis ist in der Regel mehr als zwei Meter dick und für die Dranitsyn kaum zu bewältigen. Einzig eine Route entlang der Leads im Eis ermöglichen das Vorankommen.

Viel ist nicht zu tun auf dem Transit zur Polarstern – so bleibt Zeit, ein wenig Sport zu treiben. Leider gibt es nicht genügend Sportgeräte, so dass wir Reservierungslisten führen müssen.

Draussen herrscht inzwischen eisige Kälte. Temperaturen unter -25°C sind keine Seltenheit mehr. Der Aufenthalt im Freien ist nur dick angezogen möglich. Es ist fast ganztägig dunkel. Zwischen 10 und 12 Uhr Bordzeit dämmert es ein wenig, die Sonne jedoch bleibt hinter dem Horizont. Trotzdem machen die meisten einen kleinen, täglichen Spaziergang über das Deck. Für viel Bewegung sorgt das aber nicht – dafür muss das Gym herhalten. Leider ist das eher spartanisch ausgerüstet, so dass wir dem Andrang auf Treatmill und Bike mittels aushängender Listen Herr werden müssen. Ein Tischtennisturnier gibt es ebenfalls und fast jeder an Bord nimmt daran teil. Die Wartezeit wird durch Vorträge der einzelnen Arbeitsgruppen und Teammeetings gefüllt. Abends gibt es oft Filme im Kinosaal zu sehen, ein sonntäglicher Quizabend hat sich ebenfalls etabliert. Auf diese Weise vergehen die Tage recht schnell und man ist überrascht, dass wir schon über eine Woche an Bord des russischen Eisbrechers sind.

CR

Der Sturm ist vorbei, das Eis ist geblieben – auf dem Vordeck der „Kapitan Dranitsyn“.

Mehr als eine leichte Dämmerung können wir nicht mehr erwarten – die Sonne wird erst in etwa einem Monat wieder aufgehen.