Aufbruch!

20200203 – 70°14.166’ N 20°24.005’ E – MOSAiC Leg 3

Wir sind immer noch in norwegischen Hoheitsgewässern unterwegs.

Heute Abend war es endlich soweit! Wir verließen unsere Ankerposition in der Nähe von Tromsø und machten uns nun endgültig auf den Weg zur Polarstern. Im Laufe der Nacht werden wir die Fjorde von Nordnorwegen verlassen und bei hoffentlich nicht all zu hoher Dünung das offene Wasser bis Spitzbergen queren. Dort werden wir ins Eis fahren und der Seegang wird für uns keine Rolle mehr spielen. Vor allem die Dünung hatte uns vom pünktlichen Start der Reise abgehalten. Immer wieder waren in den Vorhersagen Dünungshöhen von deutlich über drei Metern prognostiziert. Das ist zu viel für die „Kapitan Dranitsyn“, denn sie ist nicht für den offenen Ozean gebaut. Als Flußeisbrecher konzipiert hätte sie normalerweise auch nicht mit stärkeren Wasserbewegungen zu kämpfen.

Landgänge gibt es leider keine und so bleibt uns nur der Blick zu den Bergen am Fjord.

Nix zu machen – wir liegen fest!

Jewgeni, der Eisberater der „Dranitsyn“, war in den letzten Tagen ständig auf der Brücke zu finden. Mit den neuesten Informationen versorgt, errechnete er immer wieder Termine für unseren Aufbruch. Vielleicht morgen, oder doch nicht – drei Meter Dünung sind in dieser Jahreszeit normal für das Nordmeer, ein Fenster für die Überfahrt zu finden ist daher keine leichte Aufgabe. Das letzte Wort hat immer der Kapitän. Seit einer Woche warten wir nun schon, gewöhnten uns an den immer gleichen Tagesablauf und waren fast schon überrascht, als wir vorhin tatsächlich die Anker lichteten! Wie wird die Dünung sein, was macht sie mit dem Schiff? Wir werden es bald erfahren, wir sind unterwegs!

Meteorologe & Eisberater beim Gedankenaustausch – warten auf besseres Wetter für die Überfahrt ins Eis.

Übermorgen werden wir die Eisgrenze erreichen. Dann beginnt die eigentliche Arbeit Jewgenis. Er muss die Lücken finden, die uns trotz dicken Eises einen Weg zur Polarstern ermöglichen. Bei den Lücken handelt es sich nicht wirklich um Lücken in der Eisdecke, sondern um sogenannte Leads. Die riesige Eisdecke, die im Winter den Nordpol umgibt, ist je nach Region völlig unterschiedlichen Einflüssen von Strömungen und Winden ausgesetzt. Dabei verschieben sich einzelne Teile in unterschiedliche Richtungen, reiben aneinander oder driften auseinander – alles in allem ein ziemlich komplexes System aus Druck und Gegendruck. Leads findet man in Gebieten, in denen der Druck im Eis geringer ist. Ein Eisbrecher wie die Dranitsyn kann hier die Schollen auseinander drücken und sich so einen Weg durch das Eis bahnen. Spätestens wenn wir in mehrjährigem Eis unterwegs sind ist es einem konventionellen Eisbrecher wie unserem kaum noch möglich, das Eis zu brechen. Es ist dann, bei Eisdicken um zwei Meter, eher ein “beiseite schieben“ des Eises und das geht nur in Gebieten geringen Eisdrucks, welche zu finden Jewgwnis Hauptaufgabe ist.

Im Vortragsraum der „Kapitan Dranitsyn“….

….hält uns der Eisberater auf dem Laufenden.

Doch erstmal müssen wir die Strecke bis in die Gegend um Spitzbergen bewältigen. Schon die Fahrt in den Fjorden lies erahnen, dass es ziemlich holprig werden wird. Auf dem offenen Meer ist es auch allen „Passagieren“ untersagt, an Deck zu gehen. Frischluft schnappen ist also tabu – glücklicherweise soll es ja nicht all zu lange dauern.

CR

Der Lotse kommt an Bord – es geht nun endlich los!