Friedhofsbesuch

20190211 – Punta Arenas – PS118

Im Eingangsbereich des Friedhofes. Die merkwürdig geschnittenen Bäume sind auf dem gesamten Areal zu finden.

Einige an Bord hatten ja gewettet, dass es heute losgehen könnte. Aber weit gefehlt! Wir liegen wieder auf Reede, an der Versorgungspier liegt jetzt ein Passagierdampfer. Die haben erste Priorität. Das öffnen der Bugklappen mit dem mobilen Kran hat auch nicht so recht geklappt. Im Prinzip konnten wir nicht viel ausrichten und stehen wieder am Anfang. Da sich der Start der Expedition auf unbestimmte Zeit verschiebt, wurde für heute ein Shuttleservice vom Schiff zum Hafen organisiert. Am späten Nachmittag wurden wir übergesetzt. Endlich! Ich konnte nach etlichen, vergeblichen Versuchen den Friedhof von Punta Arenas besichtigen!!!

Im „feineren“ Teil des Friedhofes.

Gegründet wurde der Friedhof 1883 von José Menéndez, dem „König von Patagonien“. Punta Arenas zählte damals zu den wohlhabendsten Handelsstädten der Welt. Kaum zu glauben, wenn man die Stadt heute betrachtet. Aber damals gab es den Panamakanal noch nicht. Durch die Heirat der Tochter José Menéndez’ mit Mauricio Braun, einem Sohn litauischer Juden, verbanden sich zwei einflussreiche Handelshäuser und es wuchs ein gigantisches Imperium heran. Estanzias, Walfangflotten, Schlachthöfe, Bergwerke, Reedereien, Eisenbahnen, Banken und drei Millionen Hektar Land – alles war in der Hand der Familie Braun-Menéndez. Der Lebensstil in Punta Arenas nahm aristokratische Züge an, es gab Banketts, Autorennen, Zirkusspiele und vieles mehr. Sogar die russische Primaballerina Anna Pawlowa trat hier auf. Doch 1914 war der Trubel schlagartig vorbei, der Panamakanal wurde eröffnet und Punta Arenas geriet ins Abseits. Auf dem Friedhof zeugt noch das Mausoleum der Familie Braun in Form einer Basilika von dieser Zeit. Leider ist es durch einen schmiedeeisernen Zaun von „normalen“ Besuchern abgeschottet. Viel sieht man nicht.

Indiecito Desconocido – das „unbekannte Indianerlein“.

Wesentlich zugänglicher ist dagegen die Bronzestatue des „Unbekannten Indianerleins“, dem „Indiecito Desconocido“. Ihm werden Wunderkräfte nachgesagt. Hunderte Tafeln, Tücher und Rosenkränze findet man rund um die Statue. Auffällig ist die blank gewetzte Hand des sonst mit Patina belegten Indianerleins. Die Berührung soll wohl Glück bringen. Die Ureinwohner, denen die Statue gewidmet ist, hatten weniger Glück. Sie wurden regelrecht ausgerottet nachdem Darwin sie als das „miserabelste Volk der Erde“ bezeichnet hatte.

Gewidmet dem „Admiral Graf Spee und heldenmütiger Besatzung seiner Schiffe Scharnhorst, Gneisenau, Dresden und Leipzig, … , gefallen für das ferne Vaterland in der Schlacht bei den Falklandinseln…“

Auch einen Gedenkstein für den deutschen Admiral Graf Spee kann man auf dem Friedhof finden. Er fiel bei der Schlacht um die Falklandinseln Ende 1914. Der unförmige, von Granaten umgebene Brocken wurde von der Deutschen Kolonie in Punta Arenas gestiftet. Und sonst? Gräber über Gräber und das ist wortwörtlich gemeint, denn die meisten letzten Ruhestätten sind in langen Gängen und in mehreren Etagen übereinander angeordnet. Überall findet man Leitern, um zu den oben gelegenen Gräbern zu gelangen. Allen gemeinsam ist das an der Front befindliche Fenster, in denen den dahin gegangenen mit Fotos, Blumen (meist aus Plastik) und allerlei Schnickschnack gehuldigt wird. Man findet hier Uhren, Rosenkränze, diverse Schmuckstücke, aber auch Matchboxautos, Überraschungseifiguren, Stofftiere und Puppen. Man kann lange durch die Gräberreihen wandeln und findet trotzdem immer wieder etwas neueres, schrägeres. Ich denke, ich werde auch bei meinem nächsten Besuch in Punta Arenas nochmal herkommen. Falls ich Zeit habe…

Um an die oben gelegenen Gräber zu kommen benutzt man eigens angebrachte Leitern.

Unüberschaubares Wirrwarr an Gräbern.

Nach der Friedhofsbesichtigung schlenderten wir zum Place de Armas im Zentrum der Stadt. Hier steht die Statue Ferdinand Magellans, zu dessen Füßen zwei geschlagene Indianer hocken. Der Sage nach kehrt man in die Stadt zurück, wenn man den Zeh des einen Indianers berührt. Welcher Zeh gemeint ist, kann man deutlich erkennen, blankpoliert wie dieser ist. Klar dass wir das auch noch schnell erledigen wollten – schließlich sind wir ja auf dem Weg in die Antarktis und da versichert man sich lieber doppelt und dreifach. Doch wesentlich interessanter war die Gruppe Jugendlicher am Rande des Platzes. Diese fochten gerade einen Wettstreit im Rappen aus – zwei coole Typen standen sich gegenüber und übten sich abwechselnd in spanischem Sprechgesang, der Rest spendete Beifall bei besonders gelungenen Sequenzen. Klang wirklich gut – leider haben wir nichts verstanden.

Als wir mit dem Shuttle zurück zur Polarstern auf Reede fuhren war es schon dunkel. Neue Erkenntnisse über den weiteren Verlauf der Ladearbeiten gab es leider auch nicht. Der Autokran soll bei nächster Gelegenheit an der Pier nochmals sein Glück versuchen – wann das sein wird, weiß aber niemand. Also einfach weiter abwarten. So langsam gewöhnt man sich an die Aussicht auf Punta Arenas.

CR

Rappen auf dem Place de Armas.