Longyearbyen

20180904 – 78° 14.063’ N 15° 37.602’ E – PS115

Im Isfjorden auf dem Weg zum Adventdalen und Longyearbyen.

Svalbard, „Kalte Küste“, nennt man Spitzbergen im norwegischen. Seit dem Spitzbergenvertrag von 1920 wird die Inselgruppe von Norwegen verwaltet. Grund für diesen Vertrag waren vor allem Konflikte zwischen Minenarbeitern und Minenbesitzern. Als nämlich Anfang des 20. Jahrhunderts umfangreiche Bodenschätze gefunden wurden, war das Gebiet durch keinerlei staatliche Gesetzte und Ordnungsvorschriften reguliert. Gerade in einer solch überlebensfeindlichen Gegend kann so etwas nicht lange gut gehen. Eine staatliche Autorität musste etabliert werden und das übernahm der norwegische Staat. Im „Spitsbergentraktaten“ sollte außerdem die friedliche Nutzung des Archipels sichergestellt werden. Alle unterzeichnenden Staaten sind gleichberechtigt ökonomisch tätig, nur die Fischereirechte innerhalb der 200-Meilen-Zone gingen exklusiv an Norwegen.

Longyearbyen mit seinem Kraftwerk und den alten Bergbauanlagen.

Polarstern vor Anker vor Longyearbyen. Für Landgänge muss das Schlauchboot genutzt werden.

Longyearbyen ist der größte Ort und das Verwaltungszentrum Svalbards. Reichlich 2100 der knapp 2600 Einwohner von Spitzbergen wohnen hier. Hier residiert der Sysselmannen als direkter Vertreter des norwegischen Saates, hier gibt es den einzigen Flughafen auf der Inselgruppe, vier Kindergärten, eine Schule, ein Schwimmbad und ein Kino, sowie diverse Geschäfte, Kneipen und Restaurants. Als Bergarbeiterstadt gegründet hat sich die Stadt im Laufe des letzten Jahrhunderts zu einer auf Forschung und Tourismus ausgerichteten Siedlung gewandelt. Von den vielen Zechen im Gebiet um Longyearbyen ist nur noch eine in Betrieb und die dient hauptsächlich zur Versorgung des eigenen Kraftwerkes mit Steinkohle. Das Norwegische Polarinstitut hat hier eine Außenstelle, das UNIS, ein Projekt norwegischer Universitäten, und das Svalbard Global Seed Vault, ein Langzeitlager für Saatgut, sind hier beheimatet.

„Einkaufsstraße“ in Longyearbyen.

Damit es nicht zu Mißverständnissen kommt…

Ein Denkmal für die Bergarbeiter.

Auch die einzige evangelische Kirche befindet sich in Longyearbyen. Sie ist zugleich die nördlichste Kirche der Welt und wird nicht wie üblich von der Norwegischen Kirche und der Gemeinde betrieben, sondern gehört dem Staat Norwegen. Finanziert wird sie durch die Polarabteilung im Justiz- und Polizeidepartment. Zwar hat der Bischof von Nord Hålogaland die Aufsicht und ist für die Personalpolitik zuständig, alle anderen Belange werden aber vom Staat geregelt. Das ist notwendig, da die Gesetze Norwegens und damit auch die norwegischen Kirchengesetze keine Gültigkeit auf Spitzbergen haben. Man ist eben „nur“ Verwalter. Dafür ist die Kirche aber für alle Christen der Inselgruppe zuständig, für Katholiken, Protestanten und russisch-orthodoxe Christen, welche vorwiegend in der russischen Bergbausiedlung Barentsburg beheimatet sind.

Reste einer Miene im Longyeardalen.

Kirchgemeinde Longyearbyen.

Diese Verkehrsschilder gibt es wohl nur auf Spitsbergen!

Einen Hafen hat Longyearbyen natürlich auch. Doch gibt es da keine Pier mit genügend Tiefgang für die Polarstern. So müssen wir im Adventdalen, dem kleinen Nebenfjord des Isfjord, Anker werfen. Der Transfer an Land erfolgt mit Speedbooten oder unserem bordeigenem Schlauchboot. Gestern war das Wetter einigermaßen gut und so machte ich mich am Vormittag auf, Longyearbyen zu erkunden. Viel kann man ja nicht sehen. Schön ist es auch nicht gerade. Aber einen gewissen norwegischen Charme mit seinen farbenfrohen Häusern kann man schon erahnen. Es fehlen vor allem Bäume und Sträucher. Prägend sind alte Bergbauanlagen. Überall stehen Schneemobile herum. Die Läden sind auf Outdoor-Aktivitäten getrimmt. Autos gibt es jede Menge, trotzdem das Straßennetz mit allen seinen Nebenstraßen nur rund 40km Länge umfasst. Die Straßen führen zu keiner anderen Ortschaft – es gibt ja auch kaum welche auf Svalbard. Aber hier scheint kaum einer zu laufen, vielleicht aus Faulheit, vielleicht auch der Eisbärengefahr wegen. Im Winter kommen die Raubtiere bis in die Stadt und es ist nicht ratsam, die Warnschilder rund um Longyearbyen zu ignorieren. Auch im Sommer.

Huskyfarm am Rande Longyearbyens.

Der Winter kommt bald – dann geht es wieder los!

Die Schlitten sind ebenfalls schon vorbereitet.

Insgesamt gibt es drei „Ausgänge“ aus der Stadt. An einem befindet sich der Hafen. Dort sind wir angekommen. Ein zweiter, am Fjord entlang, führt zu einem Süßwassersee, dem Trinkwasser-Speicher der Stadt. Und dann kann man noch das Tal hinauf bis in die Nähe des Gletschers laufen. Der dritte Ausgang. Ich war an allen dreien, es hat nicht lang gedauert. Auch die Läden waren schnell abgeklappert. Will man mehr erleben, so muss man eine der angebotenen Touren in die Umgebung buchen. Oder man bewaffnet sich. Das geht wohl mit einem polizeilichen Führungszeugnis aus dem Heimatland – hab ich leider nicht. Aber damit könnte man sich in einem der Hotels eine Waffe leihen und Erkundungen auf eigene Faust unternehmen. Mir blieb leider nur der Besuch eines der Cafés. Am Abend war ich dann mit einigen Wissenschaftlern verabredet. Gemeinsam ließen wir die letzte Expedition in einem Pub ausklingen. Essen und Getränke waren erstaunlich billig, was wohl am zolltechnischen Sonderstatus Svalbards liegt. Am späten Abend brachte mich das Schlauchboot zurück zur Polarstern. Longyearbyen lohnt sich wohl nur, wenn man es schnell wieder verlassen kann. Und wer weiß, vielleicht klappt es beim nächsten mal mit einer Tagestour in die Umgebung!

CR

Die Polarstern wird per Tanker mit Kraftstoff beliefert.

Frischer Schnee auf dem Hiorthefjellet bei Longyearbyen.