Ronne-Schelfeis

20180211 – 75° 22.800’ S 57° 43.440’ W – PS111

Nebelbänke, Seerauch und die tiefstehende Sonne ergeben schaurig schöne Bilder.

Gespenstig sah es aus heute Morgen! Die halbe Nacht waren wir in einer riesigen Nebelbank unterwegs, dann lichtete sich plötzlich der Nebel. Voraus wurde die Sicht schlagartig besser, der Blick zurück zeigte die durch den Nebel scheinende Sonne. Über dem teilweise eisfreien Wasser bildete sich Seerauch. Das Bild änderte sich im Minutentakt. Ein beeindruckendes Schauspiel.

Seerauch bildet sich bei kalten Temperaturen über Stellen offenen Wassers.

Rund zwei Tage haben wir gebraucht, um vom im Osten des Weddellmeeres liegenden Filchnerschelfeis zum im Westen befindlichen Ronneschelfeis zu wechseln. Eigentlich handelt es sich bei den beiden Schelfgebieten um ein riesiges, zusammenhängendes Schelf, welches auch meist Filchner-Ronne-Schelfeis genannt wird. Der östliche Teil wurde von Wilhelm Filchner 1911 entdeckt, während der westliche Teil 1947 vom Amerikaner Finn Ronne nach seiner Ehefrau Edith Ronne benannt wurde. Als Trennlinie gilt die Berkner-Insel, welche allerdings komplett vom Schelf umgeben und vollständig mit Eis überdeckt ist. Insgesamt ist das Filchner-Ronne-Schelfeis die zweitgrößte permanent von Eis bedeckte Fläche in der Antarktis. 

Eine frische Abbruchstelle an der Kante des Filchner-Ronne-Schelfeises.

Früher gab es am Filchner-Schelfeis einmal eine Eiszunge, die nach einer dort angesiedelten russischen Forschungsstation das „Horn von Druschnaja“ genannt wurde. Diese Zunge brach 1986 ab und trieb in drei riesigen Teilen hinaus auf das Weddellmeer. Zwei der Bruchstücke zogen dann weiter und zerfielen nach und nach. Eines aber blieb auf der Berknerbank, der unterseeischen Fortsetzung des Berkner-Islands, hängen und bildet seitdem eine natürliche Barriere für die Eiszirkulation im Weddellmeer. A23A, wie dieser Eisberg liebevoll genannt wird, hat eine Fläche von etwa 65 x 74 Kilometer und ragt bis zu 300 Meter über den Meeresspiegel. Zwischen Schelfkante und Eisberg ist die Eissituation für die Polarstern nicht zu bewältigen und zwingt uns zu großen Umwegen. So umfuhren wir also den Eisberg im Norden und schlängelten uns westlich davon durch eine Lücke in den angrenzenden Eisflächen zurück zum Filchner-Ronne-Schelfeis, um diesem dann weiter nach Westen zu folgen. Dort hat sich in den letzten Wochen eine Polynya aufgetan, die es uns erlaubt, direkt an der Schelfeiskante bis zur Antarktischen Halbinsel vorzudringen.

Die ersten Berge der Antarktischen Halbinsel werden sichtbar.

Und genau da sind wir jetzt angekommen. Ziel der Anstrengungen ist ein Inlet zwischen Antarktischer Halbinsel und Ronne-Schelf. Vor allem unsere Robbenforscher vermuten dort größere Kolonien der Ross-Robben, welche sie – ähnlich wie vor Neumayer III – mit Sendern ausrüsten wollen. Ein heute Abend durchgeführter Erkundungsflug war erfolgreich, morgen wollen sie ernst machen. Doch auch unter den anderen Forschergruppen an Bord gibt es Interesse an der Gegend. Schließlich ist es sonst kaum möglich, bis hierher vorzudringen. Und so kämpft sich die Polarstern durch immer dichter werdendes Packeis. Kaum zu glauben, dass man hier noch fahren kann. Die Eiskarten suggerieren Lücken. Doch wo sind die? Wir müssen immer wieder Anlauf nehmen, um besonders dicke Brocken jahrealten Eises beiseite zu schieben. Das Schiff neigt sich weit zur Seite, wenn es sich auf eine der Schollen schiebt. Die Nacht wird jedenfalls unruhig.

CR

Jahrealtes Eis verhindert das Vorankommen der Polarstern.