FROST

20180124 – 56° 30.885’ S 08° 45.954’ E – PS111

Im Hafen von Kapstadt – ein Schlepper unterstützt die Polarstern.

Unser Aufbruch machte einen etwas überhasteten Eindruck. Kaum waren alle Wissenschaftler an Bord und schon ging es los. Geplant war das Auslaufen eigentlich erst für 16 Uhr Bordzeit – wir starteten schon 12 Uhr! Grund dafür war ein strammer „South Easter“, der als Fallwind vom Tafelberg nach Kapstadt hinunter wehte. In Kapstadt nennt man diese Art Wind auch „Cape Doctor“ – seiner reinigenden Wirkung auf die Stadtluft wegen. Sämtlicher Dreck wird mit Schwung auf das Meer hinaus geweht, man kann wieder durchatmen. Allerdings können die Windgeschwindigkeiten auch Größen annehmen, dass sicheres navigieren im Hafen nicht mehr möglich ist. Als wir starteten dauerte es scheinbar ewig, bis wir uns von der dem Wind zugewandten Seite der Pier lösten. Schlepperhilfe war notwendig. Wie wir später erfuhren, wurde zwei Stunden nach unserer Abfahrt der Hafen geschlossen. Also alles richtig gemacht!

Lotsenboot in Kapstadt.

Kapstadt – letzter Blick auf Lions Head und Signal Hill.

Denn wir haben es eilig. Am 29.01. wollen wir in der Atka-Bucht festmachen. Vier Tage werden wir dort Versorgungsgüter aller Art für die Neumayer-III-Station auf das Schelfeis entladen. Das Frachtaufkommen für die deutsche Antarktisstation ist diesmal extrem umfangreich, denn es sind eine ganze Menge Feldkampagnien im Hinterland von Neumayer-III geplant. Sobald die Versorgung erledigt ist, fahren wir weiter zum eigentlichen Zweck dieser Reise, der Erforschung des Filchner-Ronne-Outflow-Systems, woraus sich auch das Motto „FROST“ für diesen Fahrtabschnitt herleitet. Für das „T“ musste noch ein „Tomorrow“ angefügt werden. Aber irgendwie geht es ja immer um die Zukunft. Besonders der Nordteil des Filchner-Troges ist geprägt durch die Interaktion von sehr kaltem Eisschelfwasser aus dem Süden und sehr warmen Tiefenwasser aus dem Weddelmeer. Diese Vermischungsprozesse wiederum sind von großer Bedeutung für die globale Ozeanzirkulation und die Belüftung der tieferen Schichten der Weltmeere. Der Abbruch von drei sehr großen Eisbergen 1986, also vor über 30 Jahren, hat die Zirkulation und Wassermassenbildung im Filchner-Trog erheblich modifiziert. Von einem dieser Eisberge sind sogar jetzt noch Reste vorhanden. Die angrenzenden Seegebiete zeigen seither deutliche Veränderungen in der Zusammensetzung der Wassermassen und den Strömungsmustern. Hinzu kommen klimabedingte Veränderungen des Küstenstromes, die zu einem erhöhten Zufluss warmen Wassers in einigen Jahren führen könnten und damit direkten Einfluss auf die Artenvielfalt des südlichen Weddelmeeres haben werden. Um all das besser zu verstehen und einordnen zu können, sind regelmäßige Messungen der aktuellen Situation vonnöten und unsere Expedition wird einen nicht unerheblichen Teil dazu beitragen.

Andere waschen sonntags ihr Auto, hier gibt es nur den Hubschrauber zum putzen…

Nach unserer eiligen Abreise letzten Freitag erlebten wir einige Tage mit starkem Wind und damit einhergehendem hohen Seegang. Mittlerweile hat sich das Wetter erheblich beruhigt, die ersten Eisberge haben wir auch schon passiert. Die üblichen Einweisungen in die Sicherheit an Bord sind erledigt, ein Stellmanöver, bei welchem jedem das entsprechende Rettungsboot für den Ernstfall zugewiesen wurde, fand ebenfalls statt. So langsam finden sich auch alle an Bord zurecht, man verläuft sich immer seltener. Jetzt heißt es Geduld üben – bis nächsten Montag wird die Überfahrt zur Versorgungsstation für Neumayer III noch dauern. Doch dann wird es spannend!

CR

Riesige Albatrosse sieht man häufig auf dem Weg in den Süden.