Unruhige Tage

20170523 – S 12° 12.441’ W 77° 32.640’ – M137

Fährt man vor Lima hinaus auf die See, so muss man sich normalerweise wenig Gedanken um das Wetter machen. Der Wind weht mit vier bis fünf Beaufort aus südöstlichen Richtungen, der Seegang erreicht meist nur zwei Meter Höhe und kommt stetig aus Süd bis Südwest. Da Wind und Dünung aus leicht unterschiedlichen Richtungen kommen, hat man es hier immer mit einer leichten Kreuzsee zu tun. Dazu kommt noch eine Meeresströmung aus der fast entgegengesetzten Richtung, aber unter normalen Bedingungen bekommt man das alles gut in den Griff.

Verschnaufpause auf dem Kran der Meteor – doch die Plätze sind limitiert!

Ende letzter Woche verschärften sich allerdings die Bedingungen. Die – so vermuten die Wissenschaftler an Bord – durch eine Schelfrandwelle verursachte Wasserströmung ist ungewöhnlich stark und der Südostpassat erreichte zeitweise 6 Beaufort. Darüber hinaus sorgte ein rund 2500 Seemeilen entferntes Sturmtief im Südpazifik für eine hohe, lange Dünung von bis zu vier Metern in unserem Forschungsgebiet. Plötzlich war es gar nicht mehr so einfach, mit dem Schiff auf Station zu bleiben. Die Maschinenanlagen der Meteor liefen auf Hochtouren, um das Schiff mit dem Bug in der Dünung zu halten. Die Gefahr, mit dem Schiff über den Draht zu geraten, an dem die Geräte zu Wasser gelassen werden, erforderte ständige Aufmerksamkeit. Auch lies es sich nicht vermeiden, dass wir auf den Fahrten von Station zu Station oder beim Einparken an den jeweiligen Positionen die Dünung von der Seite bekamen. Dann holte das Schiff extrem über und hinterher wusste man genau, welche Dinge an Bord nicht sicher gelascht waren. Es schepperte auf den Kammern und in den Laboren, Stühle rutschten umher, Bücherregale lehrten sich. Mehr als drei Tage dauerte es, bis sich die Situation schließlich beruhigte. 

Blick vom Mast der Meteor – die See hat sich wieder beruhigt.

Seit gestern ist das Arbeiten und Wohnen auf dem Schiff wieder erträglicher. Ich nutzte die Gelegenheit, mal im Mast nach dem Rechten zu schauen. Die Geräte mussten mal wieder gereinigt werden und ein Sensor war defekt. Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, vermeidet man bei hohem Seegang Arbeiten dort oben. Kommt das Schiff ins Rollen, bewegt sich also seitlich über einen Wellenkamm, so ist es mitunter schon an Deck schwierig, einigermaßen geradeaus zu gehen. In rund vierzig Metern über dem Wasser verstärkt sich dieser Effekt deutlich und kann zu einer ernsten Gefahr werden. 

FS Meteor in den Gewässern vor Lima.

Fahrten mit dem Schlauchboot sollte man bei hohem Seegang ebenfalls vermeiden. Schon das Auskranen des Bootes ist dann gefährlich, da sich das Boot ja mit den Wellen direkt neben der Bordwand auf und ab bewegt, der Kran jedoch den Bewegungen des Schiffes folgt. Ist man unachtsam, werden Haken und Seil des Kranes zur ernsthaften Gefahr für Boot und Besatzung. Die Bergung des Bootes dürfte sich dann noch schwieriger gestalten. Heute war das alles aber kein Problem mehr. Wir nutzen die guten Bedingungen, um erneut einen Glider aufzunehmen. Diesmal war ich mit im Schlauchboot unterwegs und konnte die Bergung live erleben. Im Verlauf dieser Woche soll dann ein neuer Glider auf die Reise gehen.

Glider in Sicht – in den Wellentälern ist er schwer auszumachen.

Nach meiner Rückkehr an Bord entdeckte ich neben der Bordwetterwarte einen ganz komischen Vogel. Er hatte sich auf den Kisten für die Rettungsmittel niedergelassen, wollte wahrscheinlich ein kleines Schläfchen wagen. Aber der Bootsmann hat ihn dabei gestört und er flog schliesslich von dannen. Ich überlege mir, heute Nacht den Bootsmann ebenfalls aus dem Schlaf zu reissen – mal sehen, ob seine Frisur dann ebenso akkurat ist wie die des Vogels…

CR

Nachtrag 24.05.: Wie ich inzwischen herausgefunden habe handelt es sich bei dem komischen Vogel um einen Blaufußtölpel. Und den Bootsmann habe ich auch nicht geweckt – seine Frisur ist sowieso zu kurz. Da gerät nichts durcheinander.

Komischer Vogel (Blautölpel) – aber sehr zutraulich!