Nachsitzen mit Ekman

20150528 – 10° 000’ N 20° 000’ W – M116

In der ITC – endlich mal was los!

Am Dienstag Abend war es wieder mal soweit. Wir näherten uns dem Einflussbereich der ITC. In der Nacht zum Mittwoch fuhren wir bis auf 5°N, dem südlichsten Punkt dieser Forschungsreise. Schon am Abend vorher gab es vereinzelte Schauer. So richtig erwischte es uns aber erst auf der Rückfahrt in die Passatwindzone. Gewitter und ein starker Schauer ereilten die Meteor am Vormittag. Das Schiff wurde wieder mal so richtig sauber. Inzwischen befinden wir uns wieder in ruhigeren Gefilden. 

Vor etlichen Tagen schrieb ich über die Sargassosee. Ich behauptete, der Meeresspiegel wäre dort einen Meter tiefer als in den umliegenden Teilen des Atlantiks. Ich las davon in der Wikipedia. Wenn man sich einen Strudel vorstellt, so denkt man meist an das ablaufende Wasser in einem Waschbecken. Das Wasser läuft durch den Ausguss, dort ist der Wasserspiegel natürlich tiefer. Also dachte ich mir nichts dabei – klang ja auch alles ganz logisch – Strudel, Fliehkräfte, Wasser wird nach außen gedrückt…

Glücklicherweise liest der eine oder andere an Bord meine Bordmeldungen. So auch unser Fahrtleiter. Der nahm mich am Tag darauf zur Seite und erklärte mir, dass der Artikel zwar ganz nett sei – aber das mit dem erhöhten Wasserspiegel sei mitnichten so. Nach seiner kurzen Erklärung war ich noch etwas ratlos, worauf er mich einlud, an den täglichen Vorlesungen zu den Grundlagen der Ozeanographie teilzunehmen. Ein paar Tage später solle genau dieses Thema erklärt werden. Die Vorlesungen seien zwar in Englisch, dafür aber nur 45 Minuten lang. Und so nahm ich mir die Zeit und wurde ein wenig schlauer.

Die Oberflächenströmungen der Meere werden im wesentlichen durch den Wind angetrieben. Durch die Corioliskraft, welche durch die Erdrotation entsteht, weichen die davon angetriebenen Meeresströmungen an der Oberfläche um etwa 45° von der Windrichtung ab. Auf der Nordhalbkugel nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links. Dieser Effekt nimmt mit der Tiefe spiralförmig zu, da das vom Wind angetriebene Oberflächenwasser wiederum das darunter liegende Wasser fortbewegt und dieselben physikalischen Zusammenhänge auch hier wirken. Über die gesamte Wirktiefe gemittelt bewegt sich das Wasser in eine Richtung senkrecht zum Wind. Vagn Walfried Ekman, ein schwedischer Physiker und Ozeanograph, beschrieb dieses Phänomen mit der nach ihm benannten Ekman-Spirale schon als Student. Das Entstehen von Meeresströmungen und deren Richtung ist natürlich wesentlich komplexer und von einer Unzahl von Faktoren abhängig. Als Faustregel kann man sich aber merken, dass durch Wind erzeugte Meeresströmungen auf der Nordhalbkugel 90° nach rechts und auf der Südhalbkugel 90° nach links von der Windrichtung abweichen. Das Ganze nennt man in Fachkreisen dann den Ekman-Transport.

Beendet man hier die Überlegungen, so müsste man zu dem Schluss kommen, dass nach und nach sämtliches Oberflächenwasser quer zur Windrichtung fließen und sich dort „auftürmen“ müsste. Grundsätzlich tut es das ja auch. Allerdings erzeugt das erhöhte Wasserniveau einen Druckgradienten, der dem Ekman-Transport entgegen wirkt. Dieser wird wiederum durch die Corioliskraft nach rechts (auf der Nordhalbkugel) abgelenkt, also etwa in Strömungsrichtung des Windes. Insgesamt entsteht ein Gleichgewicht, welches den Wasserspiegel in Richtung des Ekman-Tranportes leicht erhöht.

Im Nordatlantik sind für das Entstehen der Meeresströmungen vor allem die Westwinde im Norden und die Passatwinde im Süden verantwortlich. Grob betrachtet ergibt das einen riesigen Wirbel im Uhrzeigersinn rund um den Subtropischen Atlantik. Da der Ekman-Transport im rechten Winkel zur Windrichtung stattfindet, wird das Wasser zur Mitte des Systems transportiert, der Meeresspiegel steigt. Und genau da befindet sich die Sargassosee, in deren Zentrum der Meeresspiegel deshalb um einen Meter höher ist und nicht, wie ich behauptete, einen Meter tiefer.

In Kürze erreichen wir unsere nächste CTD-Station. Ich werde jetzt noch fix meinen Radiosondenballon starten und dann mal schauen, ob wir heute Abend noch den einen oder anderen Kalmar fangen.

CR

PS: Ich konnte den Artikel erst heute, am Freitag, veröffentlichen und weiß daher schon, dass wir bei der CTD-Station keinen Kalmar gefangen haben. Dafür haben wir einen Hai gesehen! Vermutlich hat dieser die Kalmare auf Abstand gehalten.