Chapopote

20150318 – 22° 01.331’ N 93° 14.883’ W – M114-2

M114-2: Golf von Mexico

Grobkristalline Gipskristalle – geborgen aus ca. 3000m mit dem Schwerelot – ein Glückstreffer!

Nahuatl ist eine indianische Sprache aus der Sprachfamilie der sogenannten uto-aztekischen Sprachen. Etwa 1,5 Millionen Menschen nutzen diese Sprache im täglichen Leben, die meisten davon leben in Mexiko. Die Toltegen, Azteken und Tlaxcalteken unterhielten sich ebenfalls auf Nahuatl.

Als nun die Sonne im Jahr 2003 auf ihrer 174. Expedition in der Bucht von Campeche nahe Yucatan im südlichen Golf von Mexiko eher zufällig auf die diapirförmigen Salzdome stieß, aus deren Spitzen natürlicher Asphalt austritt und lavaähnlich die Hänge herabfließt, bezeichnete man diese Hügel kurzerhand als „Asphaltvulkane“. Mehr als 25 konnten seither in der Bucht von Campeche kartiert werden. Das gesamte Gebiet wird aufgrund seiner Lage in der gleichnamigen Bucht „Campeche Knolls“ (Campeche-Hügel) genannt. Die einzelnen Hügel bekamen bei der Kartierung Bezeichnungen, die aus der geografischen Breite abgeleitet wurden, wie zum Beispiel Knoll 2201 (22° 01’ N) – ziemlich unromantisch. Wenn man sich dann intensiver mit den einzelnen Knolls beschäftigt, vergibt man dann doch „richtige“ Namen. Der „Vulkan“, dessen Hauptaufmerksamkeit unsere Expedition gilt, wurde „Chapopote“ genannt. Und das bedeutet in Nahuatl „Asphalt“ – auch wenn mir schleierhaft ist, warum die alten Azteken einen Begriff dafür in ihrem Sprachgebrauch hatten, verbindet man den Begriff „Asphalt“ doch eher mit modernem Straßenbau. 

Im Straßenbau verwendet man technisch hergestellten Asphalt, der aus Bitumen – ein Produkt, das bei der Erdölverarbeitung entsteht – und Gesteinskörnungen zusammengesetzt ist. Natürlicher Asphalt dagegen ist ein aus Kohlenwasserstoffen zusammengesetztes Abfallprodukt der Zersetzung organischen Materials durch Mikroorganismen. Bereits vor 5000 Jahren wurde Asphalt, auch Erdpech oder Bergteer genannt, von Babyloniern und Sumerern zur Abdichtung von Bauwerken verwendet. Die Ägypter benutzten Asphalt zur Mumifizierung. Vielleicht kannten und verwendeten die Azteken ebenfalls Asphalt. Das würden jedenfalls erklären, warum sie einen Begriff dafür in ihrer Sprache haben. 

Aufmerksam geworden ist man auf die „Vulkane“ in der Campeche Bucht durch Satellitenbilder. Darauf entdeckte man großflächige Ölfelder, die auf die unterseeische Aktivität der Asphaltvulkane hinwiesen. Immer wieder konnten wir auf dieser Expedition diese Ölfelder entdecken. Bei leichtem Wind zeichnet sich ein solches Gebiet als eine Fläche ohne Windsee von der Umgebung ab. Das Öl glättet die Wellen. 

Man kann sich kaum eine lebensfeindlichere Umgebung als eine größere, geteerte Fläche vorstellen. Um so erstaunlicher ist es, dass in dem geklüfteten Asphalt am Meeresboden eine Vielzahl von Lebensformen existiert. Man findet vor allem Bartwürmer, Muscheln und Bakterienkolonien, aber auch Fische und Krebse. Üblicherweise würden diese als chemosynthetisierende Organismen Methan oder Schwefelwasserstoff als Energiequelle nutzen. Die Verwendung von Asphalt als Nahrungsquelle wäre für die Wissenschaft ein neues Phänomen. Es ist noch unklar, welche chemischen Verbindungen genau von den Organismen für die Chemosynthese genutzt werden. 

So geheimnisvoll wie der Name des Asphaltvulkans ist auch das ökologische System in ungefähr 3000m Tiefe unter uns. Leider konnte das ROV gestern wegen eines technischen Defektes nicht tauchen. Stattdessen fuhren wir ein Schwerelot nach dem anderen. Heute jedoch ist alles repariert, es konnte endlich wieder getaucht werden.

CR

Grobkristalliner Gipskristall.