Bord-Tyrann

20150311 – 22° 01.367’ N 93° 14.846’ W – M114-2

M114-2: Golf von Mexico

Tyrannus Forficatus. Scherenschwanz-Königstyrann an Bord der Meteor. Er steht auf der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN.

Man staunt immer wieder über die Vögel, die sich hier mitten auf dem Meer an Bord einfinden. Pelikanen und anderen größeren Vögeln traut man ja einiges zu. Sie fliegen zum Teil mehrere hundert Kilometer am Stück. Aber der Scherenschwanz-Königstyrann, den ich heute mit dem Teleobjektiv eingefangen habe, gehört zur Familie der Sperlinge. Und die sind ja nicht für weite Flugstrecken bekannt. Mit seinem extrem langen, gegabelten Schwanz sehen die Flugkünste unseres Tyrannus Forficatus bei etwas mehr Wind eher unbeholfen aus. Normalerweise brüten sie in offenen Buschlandschaften mit vereinzelten Bäumen – das passt auch nicht so recht zur offenen See. Insekten, sein Hauptnahrungsmittel neben gelegentlichem Verzehr von Beeren, sind an Bord auch kaum zu finden. Was also hat ihn hierher verschlagen? Vielleicht ist er im Hafen von einem anderen Tyrannen verjagt worden und hat sich an Bord der Meteor gerettet? Wer weiß…

Das Wetter gibt uns zur Zeit auch ein paar Rätsel auf. Alle uns zur Verfügung stehenden Modelle sind sich uneins. Es scheint schwer, das über dem Golf von Mexiko liegende schwache Tief eindeutig zu verorten. Dazu kommt noch eine relativ starke Meeresströmung aus südöstlichen Richtungen. Windsee und Dünung arbeiten gegeneinander und darüber hinaus auch gegen diese Meeresströmung. Das Ergebnis ist eine ziemlich unruhige See. Die Wellenhöhen an sich sind dabei zwar nicht sehr hoch, aber die drei Strömungen aus unterschiedlichen Richtungen summieren sich  alle paar Minuten zu Wellen, die dem Schiff vor allem am Heck einen ziemlich großen Hub bescheren. Das ist natürlich problematisch für die Bergung des ROV. Vor allem in der letzten Phase sind solche unkalkulierbaren Wellen schwierig zu managen und stellen eine Gefährdung des Teams dar. Morgen werden Windsee und Dünung noch ein wenig zulegen. Also fahren wir erstmal einen Tag andere Geräte. Das ROV macht Pause. Schade, denn die Wissenschaftler scheinen heute einige interessante Dinge entdeckt zu haben. Zumindest wurde sogar das tägliche Meeting, so eine Art Fixpunkt im Bordalltag, nach hinten verschoben.

Ich suche jetzt mal unseren kleinen Tyrannen. Vielleicht finde ich ja doch noch sein Versteck?

CR